Think before you print!

5. Sep 2021

(Bitte entschuldige das grausame Layout einiger Beiträge … Ich bin am Aufräumen …)

Kostenloser Papiermüll zum Mitnehmen

Neulich überkam mich der Aufräumwahn. Ich arbeite saisonal auf dem Campingplatz, auf dem ich wohne (nein, nicht im Zelt und auch nicht im Wohnwagen); da haben wir Unmengen Flyer und Broschüren für die Gäste. Von Wanderwegen, Sehenswürdigkeiten, Museen … allem. Wirklich allem. Und jetzt war mal wieder Zeit zum Aufräumen – denn wenn man zu viel hat, findet man eh nichts.

Das Grauen im Flyerschrank

Beim Aufräumen bin ich auf allerlei Erschreckendes gestoßen. Da war erstens eine Neuerscheinung dabei. Der Chef und ich haben uns ein Exemplar angesehen und ich kam aus dem Staunen über so viel Schwachsinn gar nicht mehr raus. Null Nutzen für den Touri – aber sieht nett aus, irgendwer kann sich sicher einen drauf runter… Ach, lassen wir das.

Dann noch eine Neuerscheinung. DEREN Sinn hat sich mir sofort erschlossen: Werbung platzieren. Von allem und jedem. Nichts, was den Touristen interessieren würde – aber die Anzeige wurde verkauft, irgendwer hat dran verdient.
Und Hefte vom letzten Jahr. Große, dicke Hefte. Mit Terminen vom letzten Jahr. Da stehen tolle Artikel drin, deshalb hat der Chef drauf bestanden, dass wir sie aufheben. Aber … Termine vom letzten Jahr sehen einfach scheiße aus. Hätte man nicht ein zeitloseres Magazin mit tollen Artikeln drucken können?

Und dann sind da noch eine Menge Flyer von Sehenswürdigkeiten angekommen, zu denen man von hier aus mindestens eine Stunde fährt. Die meisten Gäste wollen gar nicht so weit fahren. Es gibt ja auch genug Ziele ganz in der Nähe.
Diejenigen Gäste, die ihren Urlaub flexibler planen, sehen die Flyer vielleicht und denken sich: Oh, das ist ja super. Komm, wir hängen den Wohnwagen an und suchen uns einen Campingplatz dort in der Nähe. Ist jetzt für uns auch nicht soooo vorteilhaft. Da würde ich auf Anfrage gerne einen Flyer rausgeben – aber ausstellen will ich sowas eigentlich nicht.

Gerechtfertigte Druckerzeugnisse

Jo, und das alles hat mich zum Nachdenken über Touri-Broschüren gebracht. Nicht die tatsächliche Gestaltung, da ist bei den allermeisten definitiv noch jede Menge Luft nach oben. Nein, man sollte sich aber unabhängig von der Gestaltung einfach mal Gedanken machen, ob das Druckerzeugnis überhaupt einen Wert hat. Wert. Diese Dinge sind ja normalerweise kostenlos. Werbung eben. Riesige Stückzahl. Viel Papier. Viel Müll.

Echt, ich mag Touri-Flyer und ich hamstere selbst alle möglichen Papierchen von Wanderwegen und dergleichen. Früher habe ich die im Urlaub gesammelten Werke sogar in ein Urlaubstagebuch eingeklebt. (Das muss noch irgendwo sein …) Und ich finde einen Wanderweg-Flyer, auf dem ich unterwegs die Route abgleichen kann, auch sehr viel charmanter als eine Wander-App oder so.
Erfahrungsgemäß sind die Gäste hier auf dem Camping ebenfalls sehr dankbar, wenn man ihnen zu dem Ausflugstipp auch etwas Reales in die Hand gibt. Sie nehmen die Flyer mit zum Wohnwagen, stöbern, blättern, wählen aus, planen ihre Urlaubstage und vielleicht behalten sie den einen oder anderen Flyer als Andenken. Prima, Zweck erfüllt, Druckerzeugnis gerechtfertigt.

Was nutzt dem Touri – und was nicht?

Aber, da gibt es eben auch diejenigen Flyer und Broschüren, deren Zweck sich mir einfach nicht erschließen will. Ich will ja gar nicht unterstellen, dass sich da niemand Gedanken gemacht hat. Da ist bestimmt jede Menge Arbeit reingeflossen. Nur ist das Ergebnis einfach nicht gut. Die Macher haben sich irgendwas zusammengesponnen, ohne sich in die Zielgruppe (dieses Wort!!!) hineinzuversetzen. Bei den Touri-Broschüren dürfte das doch gar nicht so schwer sein, wir waren doch alle schon mal irgendwo zu Besuch und kannten uns dort nicht aus. Was brauche ich denn, wenn ich irgendwo fremd bin? Was interessiert mich? Was hilft mir, mich zurechtzufinden? Okay, großformatige Fotos sind toll und machen Lust, die Gegend zu erkunden. Aber wo fange ich denn dann an? Und für manche Werbeanzeigen bin ich sogar dankbar, weil ich dann weiß, wo ich was essen gehen kann. Aber bitte keine Werbung um der Werbung willen.

NACH dem Aufräumen.

Müll in großer Auflage

Wenn die Broschüre keinen Nutzen für die Menschen hat, für die sie gedacht ist, ist sie Müll. Papiermüll. Papiermüll mit Druckfarben und Klebstoffen. Weder Papier noch Druckfarben oder Kleber fallen einfach so vom Himmel. Die Papierherstellung verbraucht zum Beispiel erhebliche Mengen Wasser. Um jetzt nur mal ein einfaches Beispiel zu nennen. Von Bäumen und Chemikalien wollen wir gar nicht reden (ich bin da auch echt kein Experte). Fakt ist: Alles, was wir produzieren, verbraucht Rohstoffe und Energie; die Entsorgung ist häufig nicht so einfach, wie man sich das gerne schönredet. Und deshalb sollte man eben nichts produzieren, was sinnlos ist. Klingt banal. Ist es aber nicht. Wir reden ja hier auch nicht von drei Exemplaren. Nein, wir reden von kistenweise Papier. Riesige Auflage. Kostenloser Papiermüll zum Mitnehmen.

Was kann man dagegen tun?

ALS TOURIST kann ich mir zunächst mal überlegen, ob ich diese oder jene Broschüre wirklich brauche. Habe ich wirklich vor, in dieses Museum zu gehen, und wenn ja, nutzt mir die Broschüre dazu? Stehen z.B. Öffnungszeiten darin, die mir die Planung erleichtern? Und wenn ich die Broschüre mitgenommen habe: Muss ich sie hinterher wegwerfen? Oder kann ich sie vielleicht zurückgeben, damit ein anderer Gast das gebrauchte Exemplar nehmen kann? Das hat vielleicht einen Knick, aber dem fehlt doch nichts.

ALS MULTIPLIKATOR (Campingplatz, Hotel, Tourist-Info …) darf man meiner Meinung nach ebenfalls Nein sagen und muss nicht jeden Flyer aufnehmen, nur weil irgendwer das will. Werbematerialien, die die Gäste nicht interessieren, die für sie nicht relevant sind, darf man auch ablehnen oder abbestellen. Ja, man darf eine Vorauswahl treffen. Hier bei uns gibt es zum Beispiel eine fabelhafte Gästemappe mit umfangreichen Infos zu ungefähr ALLEM. Die ist bei den Gästen beliebter als alle Flyer zusammen. Sie darf ausgeliehen werden und wird dann wieder zurückgebracht. Klar treffen wir dadurch eine Vorauswahl, was wir den Gästen überhaupt zeigen – aber das tun wir im persönlichen Gespräch bei Ausflugstipps auch.

Gerade erstellen wir zusätzlich eine Flyerbibliothek mit je einem Exemplar pro Flyer oder Wanderkarte, das sich Gäste dann ebenfalls ausleihen dürfen. Sind wir ehrlich: Oft reicht ja schon ein Blick auf den Flyer, die Öffnungszeiten oder Anfahrtsskizze fotografiert man sich einfach mit dem Handy ab. Und für’s Urlaubstagebuch stehen hier noch ausreichend andere Flyer rum.

ALS ERSTELLER ODER HERAUSGEBER von Flyern und Broschüren sollte man sich, wie gesagt, zunächst mal fragen, ob die Welt das Erzeugnis überhaupt braucht. Und wenn ja, in welcher Form? Welche Infos sind relevant? Zum Beispiel die Anfahrt oder die Öffnungszeiten. Ein Link zur Homepage (mit Routenplaner und immer aktuellen Öffnungszeiten und Preisen). Wie viele Seiten braucht es dafür WIRKLICH?

Und wie wird das Druckerzeugnis genutzt? An einen Kunstdruck, den ich jahrelang über meinem Bett hängen haben möchte, stelle ich doch andere Anforderungen als an einen Flyer, den ich einmal zum Spazieren mitnehme. Wie dick muss das Papier wirklich sein? Für ein 80-Gramm-Papier brauche ich ja (grob gesagt) nur halb so viel Rohstoff wie für ein 160-Gramm-Papier. (Normales Druckerpapier hat 80 Gramm/Quadratmeter.) Muss es gestrichenes Papier sein? Also das mit der glatten, meist glänzenden Oberfläche. Diese Oberfläche wird durch Auftrag von Bindemittel erreicht. Braucht es das? Oder tut es auch normales ungestrichenes Papier?

Auch Recyclingpapiere sehen mittlerweile super aus. Wie gesagt, wir reden von Flyern, die meist nach dem Ausflug oder spätestens dem Urlaub im Müll landen. Ist weniger da nicht vielleicht mehr?

Ist es 50 Cent wert?

Und vielleicht …. nur ganz vielleicht darf man auch darüber nachdenken, ob kostenlose Broschüren wirklich so eine Spitzenidee sind. Was nichts kostet, ist ja bekanntlich auch nichts wert. Wenn eine Din A5-Broschüre nur 50 Cent kosten würde, würde der Gast sich zweimal überlegen, ob er sie mitnehmen möchte. Und die Macher würden sich vielleicht auch zweimal überlegen, ob ihre Broschüre dem Gast diese 50 Cent wert sein wird.

Mit den Einnahmen könnte man sicher nicht die Welt retten, aber doch irgendetwas Sinnvolles tun. Zum Beispiel für das kommende Jahr in gutes Recyclingpapier investieren. Oder in die Instandhaltung der beworbenen Wanderwege.

In diesem Sinne: Think before you print!

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